Wie sehen gerechte digitale öffentliche Räume der Zukunft aus?

Bild mit dem Titel Was macht gerechte digitale öffentliche Räume aus und den Fotos der vier Vortragenden und der Moderatorin

Dazu diskutierten am 15. September 2021 Rita Hagl-Kehl (Parlamentarische Staatssekretärin bei der Bundesministerin der Justiz und für Verbraucherschutz), Felix Reda (Gesellschaft für Freiheitsrechte), Victoria Kure-Wu (UX-Designerin und Initiatorin von ichbinkeinvirus.org) und Julia Köpper (Architektin und Stadtplanerin, Octagon Architekturkollektiv).

Ihre Perspektiven auf das Thema waren unterschiedlich, aber ihr Appell war klar: Es besteht Handlungsbedarf.

Rita Hagl-Kehl spricht den grundsätzlichen Interessenskonflikt an, der sich in digitalen Räumen zwischen den Nutzer:innen, den Betreiberfirmen und den Investor:innen auftut:

"Gerade im Zeitalter des Überwachungskapitalismus dürfen wir Digitalisierung nicht mehr als einen Wirtschaftsprozess sehen und denken, sondern müssen die Digitalisierung aktiv für Verbraucherinnen und Verbraucher gestalten. Große Plattformen bestimmen heutzugtage unser virtuelles und in vielen Bereichen auch unser analoges Leben. Doch von Natur aus geht es diesen Plattformen nicht darum, der Gesellschaft zu nutzen, sondern Profit zu generieren – Profit für die eigenen Shareholderinnen und Shareholder. Dass dadurch der Gesellschaft auch Gutes zu Teil wird, ist dabei nur ein Vehikel, um an Ressourcen zu kommen, die für die Gewinnmaximierung gebraucht werden."

Felix Reda macht sich für ein Verbandsklagerecht für Verbraucher:innen stark, um deren Rechte zeitnah durchsetzen zu können:

"Wenn ich in meiner Ausübung von demokratischem Diskurs auf einer Plattform eingeschränkt werde, oder jedesmal, wenn ich hatespeech bekomme, muss ich Klage einreichen - das ist zu viel verlangt. Letztenendes wollen wir, dass sich der Raum als ganzes ändert und ich nicht Jahre oder auch nur Wochen später recht bekommen will. Denn dann ist die öffentliche Debatte schon längst weitergezogen."

Neben ihrer Erfahrung im UX-Bereich zeigt Victoria Kure-Wu anhand von Antworten auf eine Umfrange eindrücklich, wie intensiv die negativen Erfahrungen auf digitalen Plattformen inzwischen sind:

"Es muss Strukturen zur Verhinderung von Diskriminierung und Gaslighting werden, es muss Moderator:innen geben, die bei Diskriminierung auch wirklich eingreifen; keine Toleranz für Hetze, und falls doch, dann die Sicherheit, dass die Hetze bei Morddrohungen ernst genommen wird und auch strafrechtlich verfolgt wird." Allein diese Antworten zeigen sehr gut, auf welchem Level wir uns eigentlich befinden.

Liegt aber nur im Digitalen alles im Argen? Nein, sagt Julia Köpper: Das Thema der Zugänglichkeit im physischen Raum war immer schon umkämpft, die Debatten darüber reichen zurück bis in die Antike. Allein deshalb ist es nicht sinnvoll, bei der Diskussion nicht zu stark in analog und digital zu trennen, denn die Probleme und die Anforderungen sind letztendlich ähnlich:

"Die Agora als zentraler städtischer Platz des Austauschs, des Verhandelns und der politischen Meinungsbildung war auch nicht für alle Zugänglich, z.B. für Frauen oder [versklavte Menschen]. Dieses Thema der Zugänglichkeit trägt auch die Geschichte des analogen Raums mit sich. Das ist ein Thema, das gesellschaftlich dauerhaft im Blick behalten werden muss."

Das Zukunftsforum ist ein Projekt von SUPERRR Lab und MOTIF Institute, gefördert vom BMJV.

Hier ein Videomitschnitt der gesamten Diskussion:


Weiter geht das Zukunftsforum mit einem Workshop am 13. Oktober 2021.

gefördert durch das BMJV BLE