Futuring From the Margins

The photo shows a black and white photograph of Frantz Fanon with a white blindfold. The photo features a caption saying Why the mask? What is he hiding? What does he fear?

Futuring im SUPERRR Lab

Bei SUPERRR Lab beschäftigen wir uns schon seit mehreren Jahren in unterschiedlichen Facetten mit dem Thema Zukünfte. Wir haben mehrere Magazine zu dem Thema herausgegeben, unterstützen mit Fellowship-Programmen wie The New New Projekte und Menschen, ihre Visionen für gerechte digitale Zukünfte umzusetzen und organisieren Zukünfte-Workshops mit verschiedensten Akteuren aus Politik und Zivilgesellschaft.

Dabei nutzen wir Methoden und Denkansätze aus der Zukunftsforschung und Foresight-Arbeit, die sich mit erwartbaren und wünschenswerten Zukünften beschäftigen. Durch ihre Erforschung, z. B. mittels verschiedener Szenarien sollen diese Zukünfte greifbarer gemacht und alternative Möglichkeitsräume für deren gemeinwohlorientierte Gestaltung in den öffentlichen Diskurs getragen werden.

Uns beschäftigt dabei immer wieder, wie wir intersektionale und dekoloniale Aspekte Teil unserer Arbeit machen und diese darüber hinaus in der gesellschaftlichen Auseinandersetzung mit Zukünften stärken können.

Wer denkt über Zukünfte nach, und wer nicht? Wem werden die Chance und die Räume geboten, über die herausfordernden Erlebnisse von heute und die vielen Kämpfe im Jetzt hinaus ein Morgen zu imaginieren, das gerechter, inklusiver und ermächtigender ist?

Bisher gehen wir diese Fragen an, indem wir versuchen, Räume wie Muslim Futures oder das Risktakers Fellowship zu schaffen und in unseren Workshops mit spezifischen Werten wie den Feminist Tech Principles zu arbeiten. Darüber hinaus möchten wir gerne einen weiteren Beitrag dazu leisten, die generelle Debatte um intersektionale und dekoloniale Zukünfte von den Rändern in die Mitte zu tragen und solche Ansätze für ein breites Publikum zugänglich zu machen.

„In meinem Studium habe ich mich intensiv mit den theoretischen Grundlagen afrodiasporischer Futurismen beziehungsweise Surrealismen beschäftigt. Diese haben meinen Blick auf dekoloniale und feministische Anliegen nachhaltig geprägt. Solche Perspektiven fehlen leider immer noch häufig in unseren Diskursen um unsere gemeinsamen Zukünfte. Daher bringe ich sie aktiv in meine Forschung und Arbeit mit ein, um realistischere Gesellschaftsbilder zeichnen zu können.“- Feven, SUPERRR Lab

Intersektionale und dekoloniale Zukünfte

Daher untersuchen Feven und Quincey aus dem SUPERRR Lab Team momentan verschiedene Herangehensweisen zu Intersektionalität und Dekolonialität auf dem Gebiet der Zukünfte-Arbeit.

Denn alternative, wünschenswerte Zukünfte zu entwickeln, bedeutet auch, sich vom Gegenwärtigen ein Stück weit zu lösen. Doch ist es nicht leicht, frei von den Zwängen des Status quo über Zukünfte nachzudenken. Und mit Status-quo-Denken schleichen sich schnell ungeahnt Vorurteile, diskriminierende Muster, Gewohnheiten der Machtausübung oder unreflektierte Ausgrenzungspraktiken in die Zukunfts-Arbeit ein, die alles andere als natürlich sind. Daher ist es schwierig, Zukunftsszenarien zu entwerfen, die keine Relikte solcher Denkmuster enthalten oder von ihnen beeinflusst werden. Um dieser Gefahr entgegenzuwirken, braucht es Ansätze, die aktiv dagegen steuern, dass wir Zukünfte entwerfen, in denen wir ähnliche Problematiken reproduzieren, wie wir sie heute versuchen zu bekämpfen. Aus diesem Grund möchten wir dekoloniale und intersektionale Ansätze noch expliziter in der Zukunftsarbeit verankern.

“Durch die Auseinandersetzung mit Philosophen verschiedener afrikanischer Länder während meines Studiums und während meiner Arbeit im außereuropäischen Ausland habe ich festgestellt, dass mir ein europäischer oder vielmehr ein eurozentristischer Referenzrahmen nicht reicht, um unsere heutigen gesellschaftlichen Herausforderungen anzugehen. Eurozentristische Sichtweisen auf die Welt haben meinem Erachten nach über die letzten Jahrhunderte furchtbares Leid, Zerstörung und große Probleme hervorgebracht. Wenn wir wirklich an Lösungen interessiert sind, müssen wir aktiv unsere Perspektiven erweitern, da wir sonst Gefahr laufen, doch wieder Altes zu reproduzieren und viele wichtige Ansätze bisher marginalisierten Wissens zu ignorieren." - Quincey, SUPERRR Lab

Es gibt schon viele tolle und inspirierende Ansätze, Menschen und Akteur*innen, wie z. B. Pupul Bishts Initiative Decolonizing Futures oder das Center for Postnormal Policy and Future Studies rund um Ziauddin Sardar. Maßgebend waren und sind auch immer noch die Ansätze des Afrofuturismus wie auch spekulative Schwarze und afrodiasporische Zukünfte als ein Weg, mögliche Szenarien durch eine Schwarze kulturelle Perspektive zu erforschen.

Aufbauend auf diesen verschiedenen Ansätzen erproben wir momentan, wie mittels Reflexionsfragen dekoloniale und intersektionale Perspektiven stärker in Zukunftsprozessen verankert und zugänglicher gemacht werden können:

Bevorzugt die imaginierte Zukunft eine bestimmte Gruppe von Menschen? Wer hat die Macht in dieser Zukunft, wer nicht? Wie wird Macht in dieser Zukunft hergestellt? Beabsichtigt die imaginierte Zukunft „universell“ oder „global“ in ihrer Ausrichtung zu sein? Wie unterscheidet sich das Zukunftsszenario vom heutigen Status quo? Baut es auf extraktiven Ansätzen in Bezug zur Natur, zu Wissen, zu anderen Kulturen oder zu Menschen auf oder beinhaltet es diese?

Dies sind nur einige der Fragen, von denen wir glauben, dass es wichtig ist, sie sich in Zukunftsprozessen bewusst zu stellen und die eigenen Arbeitsergebnisse mit ihnen zu überprüfen. Wir testen derzeit, wie ein gutes Format aussehen kann, um solche Fragen und die damit einhergehende Reflexion für Zukunftsprozesse nutzbar zu machen. Dabei handelt es sich um einen laufenden Prozess, bei dem wir selbst viel lernen und ausprobieren.

Unser bisheriger Ansatz soll natürlich nicht die aktiven Stimmen marginalisierter Gruppen in Zukunftsprozessen ersetzen. Wir versuchen einen zusätzlichen Zugang für dekoloniale und intersektionale Perspektiven in Zukunftsprozessen zu schaffen, um diese Herangehensweisen weiter in die Breite zu tragen.

Die nächsten Schritte

In den nächsten Monaten werden wir mit verschiedenen Expert*innen in dem Feld sprechen und in einen Austausch darüber gehen, wie intersektionale und dekoloniale Ansätze in der Zukünfte-Arbeit gestärkt werden können. Denn wir sind überzeugt davon, dass es für nachhaltige positive Zukünfte eine Stärkung dieser Ansätze in der gängigen Zukunftsarbeit und in Foresightprozessen braucht. Ob dabei ein Reflexionsansatz entsteht, den andere einfach anwenden können oder wir auf eine tiefere Ebene der Methodenentwicklung gehen müssen, steht dabei noch aus. Auf der diesjährigen re:publica werden wir dieses Thema auch einbringen und in weiteren Formaten im Laufe des Jahres aufgreifen und erproben.

Wir freuen uns über euer Feedback und weitere Anregungen. Wenn ihr Ideen habt oder mit uns gemeinsam an dem Thema arbeiten möchtet, zögert nicht, euch bei uns zu melden!

"The future belongs to those who prepare for it today." - Malcolm X, 1964

Image credits: Grove Press, Frantz Fanon.