Moderators Unite!

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Am 09. und 10. März kamen in Berlin knapp 50 Social-Media-Content-Moderator*innen zu einem Content Moderators Summit zusammen. Der Summit wurde von der Gewerkschaft ver.di und den gemeinnützigen Organisationen SUPERRR Lab, Foxglove und Aspiration ausgerichtet. Die Idee zum Summit kam von den Moderator*innen.

Das erste Treffen dieser Art hatte mehrere Ziele: Ein Ziel war es, mit der Kultur der Intransparenz und Geheimhaltung zu brechen und den Moderator*innen einen Raum zu geben, in dem sie sich über unterschiedliche Firmen hinweg austauschen und gewerkschaftlich sowie arbeitsrechtlich organisieren können. Geheimhaltungsvereinbarungen werden von Unternehmen oft genutzt, um die Beschäftigten zum Schweigen zu bringen und sie daran zu hindern, über ihre Ausbeutung zu sprechen oder sogar mit ihren engsten Angehörigen darüber zu reden, was sie im Arbeitsalltag erdulden.

Die Content-Moderator*innen berichteten während des Summits, wie sie erst durch Gespräche mit Menschen in anderen Betrieben ihre eigenen prekären Arbeitsbedingungen erkannten. Diese umfassen intransparente Bonusprogramme, inadäquate Bezahlung, befristete Verträge sowie mangelnde psychologische Betreuung und unzureichende Urlaubstage. Direkt zu Beginn des Summit, der in den Räumen von ver.di stattfand, stellte die Gewerkschaft klar: Das Recht, sich zu organisieren und für bessere Arbeitsbedingungen einzutreten, ist in der Verfassung verankert und steht damit über den strengen Non-Disclosure-Vereinbarungen der Unternehmen.

Die Moderator*innen, die aus dem ganzen Land angereist waren, diskutierten ihre Erfahrungen im Detail: TikTok vs. Meta-Plattformen, Outsourcing vs. Direktanstellung und Berlin vs. anderswo. Schnell kristallisierte sich ein gemeinsamer Nenner heraus. Gemeinsam stellten sie diese Forderungen an Big Tech zusammen:

  • Faire Bezahlung für die Moderation von Inhalten, die die für die Arbeit erforderlichen Fachkenntnisse widerspiegelt. Wichtige Leistungen wie Krankenstand, Urlaub, flexibles Arbeiten, Arbeit von zu Hause aus, Pausen- und Essenszeiten müssen klar und konsequent geregelt werden.
  • Die Moderation von Inhalten ist eine gefährliche Arbeit, die ohne Sicherheitsvorkehrungen und psychosoziale Betreuung ernsthafte Schäden verursachen kann. Jedes Unternehmen muss sich hinsichtlich der erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen von Expert*innen beraten lassen und eine unabhängige, rund um die Uhr verfügbare klinische Betreuung anbieten.
  • Es ist die Pflicht von Social-Media-Unternehmen, Moderator*innen aktiv zu ermutigen, sich gewerkschaftlich zu organisieren, Tarifverhandlungen zu führen und einer Gewerkschaft beizutreten sowie Betriebsräte in der gesamten Branche zu bilden.

Die Moderator*innen berichteten übereinstimmend von der miserablen Bezahlung, der traumatisierenden Natur der Arbeit und dem Fehlen angemessener psychologischer Unterstützung, um die Arbeit sicher zu erledigen. Ein Teilnehmer berichtete davon, wie er Symptome einer posttraumatischen Belastungsstörung entwickelte, sich aber nicht traute, seinen Arbeitgeber darüber in Kenntnis zu setzen, weil er befürchtete, dass dieser seinen befristeten Vertrag auflösen könnte.

Eine weitere Teilnehmerin erzählte davon, wie sie während des Bewerbungsgesprächs für den Job nicht ausreichend darüber informiert wurde, um welche Art von Arbeit es sich handelt und welche psychischen Beschwerden damit einhergehen können. Einige lobten die Zeit im Home Office während der Pandemie. Weil sie von Zuhause aus arbeiteten, durften sie nur maximal 5% extreme Inhalte pro Tag moderieren. Aus ihren Berichten wird deutlich, dass der Job des Content-Moderators mit guten Arbeitsbedingungen durchaus ein mehr oder minder akzeptabler Job sein kann, den man über mehrere Jahre hindurch macht. Die Realität ist jedoch eine andere, denn der Job und die Bedingungen sind auf einen schnellen Durchlauf ausgelegt.

Was viele Beschäftigte wütend macht, ist der mangelnde Respekt, der ihnen von ihren Arbeitgeber*innen entgegengebracht wird: sowohl von den Outsourcing-Unternehmen als auch von den Kunden der Tech-Giganten. Auch in der öffentlichen Wahrnehmung gibt es wenig Wertschätzung: In der Öffentlichkeit wird die Arbeit der Moderator*innen oft als anspruchslose Click-Work dargestellt. Das Gegenteil ist der Fall, für die Arbeit ist viel Urteilsvermögen und kulturelles Einordnungswissen nötig. Die Moderator*innen wissen, wie essenziell ihre Arbeit für die Tech-Plattformen ist – ohne die Moderation von Inhalten und die Mitarbeiter*innen, die sie ausführen, gibt es keine sozialen Medien, Punkt. Noch viel mehr: Mit ihrer Arbeit schützen sie unsere Demokratie, indem sie der Verbreitung von Desinformation, Hass und Hetze entgegentreten.

Viele sprachen darüber, dass sie trotz der schlechten Bezahlung und der Gefahr für ihre Gesundheit in ihrem Job bleiben, weil sie sich persönlich moralisch verpflichtet fühlen, das Internet sicherer zu machen.

Besonders intensiv wurde in den Sessions zum Thema Betriebsräte diskutiert. Einige der Moderator*innen wie die TikTok-Angestellten haben bereits Betriebsräte und berichteten von ihren Erfahrungen. Angestellte von Outsourcing-Unternehmen sind gerade dabei, einen Betriebsrat zu gründen und Wahlen zu organisieren. Doch wie wirbt man am besten in einem Unternehmen, in dem man kein Papier mit an den Arbeitsplatz bringen darf? Und wie überzeugt man Kolleg*innen, in die Gewerkschaft einzutreten oder sich für Wahlen aufstellen zu lassen, wenn diese nicht wissen, welche Rechte sie als Arbeitnehmer*innen in Deutschland haben? Diese und viele weitere Fragen wurden mit Expert*innen für Arbeitsrecht diskutiert.

Obwohl sich die Arbeitsbedingungen bei TikTok, Meta und den Outsourcing-Unternehmen unterscheiden, so haben die Content Moderator*innen eines klar gemacht: Sie stehen in Solidarität miteinander. Sie stehen Seite an Seite, um gemeinsam für bessere Bezahlung, bessere psychologische Unterstützung und mehr Wertschätzung ihrer Arbeit einzustehen. Nichts ist stärker als Arbeiter*innen, die gemeinsam für bessere Bedingungen und Rechte kämpfen. Bleibt nur zu hoffen, dass sie mit ihren Forderungen gehört werden - auch von der Politik.

Wir bei SUPERRR Lab werden weiterhin über das Thema Content Moderation berichten und den nächsten Summit in Nairobi, Kenia begleiten.

Presseberichterstattung:

Zeit online: Zusammen im Kampf gegen Trauma und Ausbeutung

Wired: TikTok and Meta’s Moderators Form a United Front in Germany

The Financial Times: Social media content moderators lead charge for better rights