Szenarien

Das Bild zeigt ein komplexes Muster aus rosa und hellblauen Strichen, die sich kreuzen und zusammen immer wieder Kreise bilden.

Ein methodischer Ansatz, um Digitalpolitik zukunftsfähig zu machen

Politik und Staat regulieren die Tech-Branche, gestalten aber auch selbst digitale Angebote mit großer sozialer Relevanz. Wie können wir sicherstellen, dass Regulierung und staatliche Digitalisierung für soziale Gerechtigkeit sorgen, anstatt bestehende Ungleichheiten zu verstärken? Notwendig ist dafür eine gesamtgesellschaftliche, vorausschauende Betrachtung der Auswirkungen neuer Technologien, Regulierungsansätze und Gestaltungsvorschriften – insbesondere im Hinblick auf Digitalpolitik und Verwaltung. Weil diese bislang fehlt, zeigen wir hier Ansätze auf, wie mithilfe von Szenario-Methoden eine breit gedachte, gesamtgesellschaftliche Risikoabschätzung digitaler Technologien gelingen kann.

Was?

Wir erweitern die Perspektive digitalpolitischer Fragestellungen über rein wirtschaftliche oder verwaltungsrechtliche Zugänge hinaus und diskutieren sie in ihrem sozialen Kontext.

Wo?

Überall, wo Politik gestaltend wirkt. Und vor allem dort, wo diese Gestaltung Menschen direkt betrifft.

Wie?

  • Wir bringen Fachexpert*innen und unterschiedliche gesellschaftliche Perspektiven zusammen, die bisher nicht ausreichend Berücksichtigung finden und/oder zu selten gemeinsam Lösungen entwerfen.
  • Wir denken scheinbar separate Dimensionen zusammen, weil sie untrennbar miteinander verwoben sind: Technik, Recht, Gesellschaft, Wirtschaft und Umwelt.
  • Wir nutzen einen szenariobasierten Ansatz, um ein Bewusstsein für zukünftige Risiken zu entwickeln.

Was sind Szenario-Methoden?

Szenarien sind strukturierte Was-wäre-wenn-Überlegungen. Sie beschreiben alternative zukünftige Situationen und mögliche Entwicklungen, die dorthin führen (können). Indem wir uns mit sehr unterschiedlichen Szenarien befassen, können wir unser oft lineares Denken überwinden und uns der Vielzahl an Möglichkeiten bewusst werden, die im Hinblick auf ‚die Zukunft‘ existieren. Letztendlich weiß niemand, wie sie sein wird. Mithilfe eines sorgfältigen Entwerfens vielfältiger möglicher Entwicklungen können wir uns aber für unterschiedliche zukünftige Szenarien und potenzielle Risiken ‚wappnen‘.

Was können Szenarien?

  • Zukunftsfähigkeit testen: Indem wir z.B. konkrete Digitalvorhaben im Kontext unterschiedlicher Szenarien untersuchen und daraus Anforderungen für ihre heutige Ausgestaltung ableiten.
  • Konsequenzen sichtbar machen: Indem wir konkrete Szenarien und deren Herleitung beschreiben, werden sie inklusive ihrer potenziellen Auswirkungen und Risiken greifbar.
  • Perspektiven erweitern: Indem wir uns die Vielzahl möglicher Szenarien bewusst machen, erkennen wir die Bandbreite der Anforderungen an ein Digitalvorhaben oder eine bestimmte Technologie besser und reduzieren blinde Flecken.
  • Diskussionen voranbringen: Indem wir uns explizit über lineares Denken hinwegsetzen und alternative Szenarien nebeneinander stellen, können wir Diskussionen mit neuen Perspektiven anreichern.
  • Meinungen ausloten: Indem wir gemeinsam eine Vielzahl an Szenarien bewerten, sammeln wir wichtige Informationen darüber, was wir als wünschenswert oder als besonders riskant einstufen.
  • Schwerpunkte setzen: Indem wir prüfen, welche Anforderungen für alle Szenarien relevant sein könnten, und welche nur in bestimmten Umständen, können wir fokussieren, Handlungsansätze identifizieren und politische Empfehlungen formulieren.

Wie werden Szenarien entwickelt?

In der Arbeit mit Szenarien ist es wichtig, dass sie für die Fragestellung relevant und in sich schlüssig sind. Als Ausgangspunkt für die Entwicklung insbesondere strategischer Szenarien eignet sich daher besonders gut die strukturierte Analysemethode PESTLE. Mit ihrer Hilfe lassen sich wichtige Einflussfaktoren auf ein bestimmtes Thema ermitteln – und zwar in den Bereichen Politik, Umwelt (auf Englisch Environment), Soziales, Technologie, Gesetze und Regularien (auf Englisch Legal) und Wirtschaft (auf Englisch Economy).

Zunächst erfolgt eine umfassende Recherche. Auf dieser Basis werden anschließend für jeden der PESTLE-Felder diejenigen Einflussfaktoren ausgewählt, die als besonders relevant und deren zukünftige Entwicklungswege momentan gleichzeitig als besonders ungewiss erscheinen. Jeder Einflussfaktor hat mindestens zwei, häufig noch mehr Entwicklungsoptionen. Szenarien entstehen dann, wenn Optionen faktorenübergreifend gezielt miteinander kombiniert werden (siehe Grafik). Das Ergebnis: eine Handvoll schlüssiger und sehr unterschiedlicher Szenarien.

Das Bild zeigt ein Raster mit sechs Spalten, die jeweils unterschiedliche Ausprägungen eines Einflussfaktors der PESTLE-Kategorien beschreiben. Zwischen einzelnen Ausprägungen wurden Striche gezogen, um daraus Szenarien zu bilden.

Die Grafik zeigt, wie aus möglichen Entwicklungspfaden einzelner Faktoren unterschiedliche Szenarien entstehen. In diesem Beispiel nutzen wir für jede PESTLE-Kategorie einen Einflussfaktor (mit jeweils zwei bis drei möglichen Entwicklungspfaden) – in größeren Szenario-Prozessen werden häufig auch mehrere Faktoren pro Kategorie verwendet (Grafik: Futures Probes).

Stehen die Szenarien, können sie für verschiedenste Projekte und Vorhaben genutzt werden. Sehr gut eignen sie sich beispielsweise als Grundlage für Workshops, in denen es darum geht, gemeinsam mit verschiedenen Expert*innen potenzielle Risiken für ein politisches Vorhaben zu erörtern und mögliche Schwerpunkte zu definieren.

Der Szenario-Workshop

Übergeordnetes Ziel der Arbeit mit Szenarien in diesem Kontext ist die Entwicklung von Empfehlungen für eine zukunftsfähige und sozial gerechte Gestaltung und Regulierung von Technologien. Dafür entstehen in Szenario-Workshops konkrete Gestaltungsvorschläge. Die Versammlung vielfältiger Perspektiven erlaubt es, Maßnahmen disziplinübergreifend zu betrachten und zu bewerten. So können Schwerpunkte identifiziert werden, die aus verschiedenen Gründen wichtig sind – weitgehend ohne das Risiko, sich in Partikulardebatten oder Detailfragen zu verlieren.

Der Workshop selbst lebt davon, ein gemeinsames Verständnis für die anstehenden Herausforderungen und konkrete Ideen zu deren Bewältigung zu entwickeln. Dafür braucht es:

  • unterschiedliche fachliche Expertisen
  • unterschiedliche Erfahrungswelten
  • Synchronisationsmomente (Teilen alle eine Auffassung des Problems?)
  • inspirierende Szenarien
  • strukturierende Leitfragen
  • Motivation zum konstruktiven Austausch
  • klare Mandate (Wer ist warum hier und bringt welche Expertise ein?)
  • Flexibilität (Braucht ein Thema mehr Zeit?)
  • Code of Conduct
  • Dokumentationspower

Ein exemplarischer Ablauf könnte so aussehen:

Schritt 1: Den Teilnehmenden Zeit geben, sich das Szenario zu erschließen.

Schritt 2: Herausforderungen und Risiken sammeln: Was sind die jeweils größten technischen, rechtlichen, sozialen, ökologischen und ökonomischen Herausforderungen und Gefahren, denen sich X in dem Szenario stellen muss?

Schritt 3: Lösungen entwickeln: Welche technischen, rechtlichen, sozialen, ökologischen und ökonomischen Voraussetzungen müssen wir heute einfordern, damit X zukunftsfähig sein kann?

Schritt 4: Diskussionsergebnisse (der einzelnen Szenarien und/oder Gruppen) zusammenführen.

Schritt 5: Schwerpunkte der Diskussionen herausarbeiten.

Tipps und Tricks:

  • Kleingruppen ausgewogen nach Expertisen zusammenstellen.
  • Mit Wissenslücken offen umgehen: Welche Fragen an das Vorhaben lassen sich daraus ableiten?
  • Die Kategorien (technisch, rechtlich, sozial, ökologisch, ökonomisch) nach Notwendigkeit anpassen, nicht immer müssen alle verwendet werden.
  • Diskussion und Ergebnisse gut dokumentieren. Sie sind die Vorlage für die Empfehlungsformulierung.

Wie konkret kann es werden? Das zeigen unsere Prüfsteine für die Registermodernisierung – ein trockenes und komplexes Thema, bei dem es aber nicht nur heiß her ging, sondern auch anschaulich und greifbar blieb: Registermodernisierung zukunftsfähig machen

Hier findet ihr auch die Methode als PDF-Download.