Warum wir fließend „Zukünfte“ sprechen sollten

An abstract visual consisting of blob-like blue shapes and collage cutouts of flowers and eyes

+++ English version below +++

Warum wir fließend „Zukünfte“ sprechen sollten: Zukünfte Denken als Kompetenz verstehen

Ich liebe Sprachen und bin so dankbar für jede, die ich lernen durfte. Es ist immer wieder ein Fest für mich, mich in Grammatik, Konjugationen, Sprichwörter, Geschichte, Slang und Metaphern hineinzusteigern. Ich gehe auf in der Vielfalt von Sprachen und den Möglichkeiten, die mir geboten werden: Ich bewege mich in unterschiedlichen Kontexten, konsumiere verschiedene Medien, navigiere mich durch Codes, spreche selbst in und wechsle zwischen diesen. Es erlaubt mir, immer wieder ins Gespräch zu kommen, zu denken, zu träumen, zu fühlen - auf unterschiedliche Arten und Weisen, mit unterschiedlichen Menschen, über die Restriktionen einer Sprache hinaus. Ich springe in ein anderes Becken und schöpfe von der Schönheit dort. Wenn also Worte meine Sprache wären, dann möchte ich in so vielen wie möglich kommunizieren, ausdrücken, beschreiben und leben können. Was ist, wenn wir Sprache über das Buchstäbliche hinaus denken und alle Formen hinzuzählen, die wir als Ausdrucksformen nutzen können? Kunst wie Musik, Gedichte und Malerei sind Ausdrucksformen - sie sind Werkzeuge einerseits und Sprachrohr andererseits: Kunstwerke sprechen zu uns, wenn wir hinhören, uns einfühlen und sinnlich wahrnehmen. Sie sind Sprachen, im Kleinen und Großen und in der Verbindung zueinander. Es handelt sich hierbei um die Kompetenz, sich auszudrücken, und die Fähigkeit zu kommunizieren. Was ist, wenn ich also dafür plädiere, dass wir fließend „Zukünfte“ sprechen sollten? Wie geht meine Liebe für Sprachkompetenzen mit dem Sprechen in und über Zukünfte einher?

Literally, Futures Literacy

Zukünfte denken, gegenwärtige Annahmen kritisch reflektieren, Weltansichten hinterfragen, imaginieren, träumen und mutig sein, diese in Handlungsstrategien zu übersetzen, sind Kompetenzen, die wir uns aneignen können und müssen. Wie eine Sprache, die aus unterschiedlichen Dialekten und Formen besteht. Hierfür gibt es Methoden und Zugänge, wie zum Beispiel kritische, dekoloniale und feministische, die den Anspruch haben, keine gewaltvollen Denkmuster zu reproduzieren und in Zukünftevorstellungen zu übersetzen. Es geht auch darum, das Verständnis der Zukunft als etwas zu fördern, das gestaltet und nicht nur vorhergesagt werden kann. Futures Literacy, so formuliert es die UNESCO, zielt auf die Suche nach „verborgenen, unhinterfragten und manchmal fehlerhaften Annahmen über gegenwärtige und vergangene Systeme“ und wie diese unsere Vorstellungen von Zukünften beeinflussen. Beim Zukünftedenken kann es sich einfach um eine Schulung in Zukunftsforschung handeln, die Einzelpersonen und Organisationen mit neuen Kompetenzen und Fähigkeiten hilft. Auf einer tieferen Ebene kann Zukunftsdenken dazu beitragen, eine wirksamere Strategie zu entwickeln. Durch das Verständnis der alternativen, gewohnten und abgelehnten Zukünfte können Organisationen viel innovativer werden. Auf einer noch tieferen Ebene kann das Denken in die Zukunft Kapazitäten schaffen. Es geht nicht so sehr darum, die richtigen Vorhersagen zu treffen oder die richtige Strategie zu finden, d. h. die richtigen Werkzeuge zu verwenden. Es geht darum, unser Vertrauen zu stärken, um die von uns gewünschte Zukunft zu gestalten. Zukunftsorientierte Methoden dekonstruieren also die Welt, die wir zu wollen glauben - sie stellen unsere grundlegenden Konzepte infrage. Die Stärkung der Kapazitäten befähigt den Einzelnen - das ist befreiend und für viele beängstigend, da die Sicherheit, dass andere für Einen Entscheidungen treffen, wegfällt (vgl. Sohail Inayatullah zu „futures thinking as a skill“).

Vertrauen in die eigene Vorstellungskraft stärken

Es ist also eine Seite der Medaille, sich die „buchstäblichen“ Kompetenzen anzueignen, wie den Blick zu schärfen, Methoden zu testen, neu zu denken und für die eigenen Kontexte anzuwenden. Die andere Seite zielt auf das Vertrauen in die eigene Vorstellungskraft ab, die sich in Wirklichkeiten materialisieren kann. Jedes Mal, wenn ich eine neue Sprache gelernt habe, war meine größte Hürde, das Gelernte zu testen: Ins Gespräch kommen, Fehler machen, sich korrigieren lassen, um irgendwann selbstbewusster zu sprechen und in meine Fähigkeiten zu vertrauen. Ab diesem Moment war es nur noch magisch. Ich musste trainieren. So ist es auch mit dem Eintauchen in die Welten von Futures Thinking. Wir als Superrr möchten diese Räume schaffen, um zivilgesellschaftlichen Organisationen und Initiativen auf diese Reise einzuladen. Diesen Muskel trainieren (wie meine Kollegin Nandita in ihrem Blogpost beschreibt) und das Vertrauen in die eigene Vorstellungskraft stärken - kritisch, disruptiv und dekolonial. Was das bedeutet und wie es aussehen kann, werden wir nun die nächsten Wochen noch genauer testen und teilen mit euch unsere Erkenntnisse. Wer weiß, vielleicht lernen wir nicht nur gemeinsam eine Sprache, sondern kreieren neue Formen? Werden fließend und „literate“ in dieser?

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Why We Should Speak Fluently "Futures": Understanding Futures Thinking as a Competence

I love languages and am so grateful for each one I’ve been able to learn. It is always a joy for me to delve into grammar, conjugations, idioms, history, slang, and metaphors. I immerse myself in the diversity of languages and the opportunities they offer me: I navigate different contexts, consume various media, navigate through codes, and speak and switch between them. It allows me to engage in conversations, think, dream, and feel in different ways, with different people, beyond the restrictions of a single language. I dive into another pool and draw from the beauty there. If words were my language, I would want to communicate, express, describe, and live in as many as possible. What if we think of language beyond the literal and include all forms of expression we can use? Art, like music, poetry, and painting, are forms of expression - they are tools on one hand and a voice on the other: artworks speak to us if we listen, empathize, and perceive them sensually. They are languages, in small and large scales and in connection to each other. This is about the competence to express oneself and the ability to communicate. What if I advocate that we should speak "futures" fluently? How does my love for language competence relate to speaking in futures?

Literally, Futures Literacy

Thinking about futures, critically reflecting on present assumptions, questioning worldviews, imagining, dreaming, and being brave enough to translate these into action strategies are competencies we can and must acquire. Like a language, consisting of different dialects and forms. There are methods and approaches for this, such as critical, decolonial, and feminist ones, which aim not to reproduce violent thought patterns and translate them into futures imaginations. It is also about fostering the understanding of the future as something that can be shaped, not just predicted. Futures Literacy, as UNESCO formulates it, aims to uncover “hidden, unexamined, and sometimes flawed assumptions about current and past systems” and how these influence our ideas of futures. Thinking about the future can simply involve training in futures research that helps individuals and organizations acquire new competencies and skills. On a deeper level, future thinking can help develop a more effective strategy. By understanding alternative, familiar, and rejected futures, organizations can become much more innovative. On a deeper level, thinking into the future can build capacities. It is not so much about making the right predictions or finding the right strategy, i.e., using the right tools, but about strengthening our confidence to shape the future we desire. Future-oriented methods decolonize the world we think we want - they challenge our fundamental concepts. They deconstruct. Capacity building empowers the individual - this is liberating and frightening for many, as the security of having others make decisions for them disappears (see Sohail Inayatullah on "futures thinking as a skill").

Strengthening Trust in One's Imagination

It is one side of the coin to acquire the "literal" competencies, such as sharpening one's perspective, testing methods, thinking anew, and applying them to one's contexts. The other side focuses on trusting one's imagination, which can materialize in realities. Every time I learned a new language, my biggest hurdle was testing what I had learned: engaging in conversation, making mistakes, being corrected, and eventually speaking more confidently and trusting my abilities. From that moment on, it was only magical. I had to train. It is the same with immersing oneself in the worlds of Futures Thinking, and we at Superrr want to create these spaces to invite civil society organizations and initiatives on this journey. Training this muscle (as my colleague Nandita describes in her blog post) and strengthening trust in one's imagination - critically, disruptively, and decolonial. What this means and how it can look, we will explore more precisely in the coming weeks and share our insights with you. Who knows, maybe we will not only learn a language together but create new forms? Become fluent and "literate" in this?